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Familie

Wie baut man einen Lebenslauf auf? Man beginnt mit seinem Namen, seinen Geburtsdatum und den Eltern.

Also Bernd Jürgen Kreutner , geb. am 17.03.1944 in Freiburg im Breisgau

Vater : Willi Kreutner, Werkmeister

Muter: Maria Kreutner, geb. Wehrer, Hausfrau

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Nüchtern und trocken und gegen jeden Datenschutz. Aber wenn man schon so alt ist wie ich, fürchtet man sich vor dem Datenmissbraucht nicht mehr sehr. Als Pensionist hat man die Muße die Flut von Prospekten und Katalogen zu sammeln und en block zum Altstoffentsorgungszentrum zu bringen, zusammen mit den Pet Flaschen und den leeren Yoghurtbechern. Sind die Prospekt aus Zeitungspapier dienen die immehin noch als Kaminholzanzünder.

Aber davon war man in der Zeit nach 1944 noch weit entfernt. Aber an was erinnert man sich später noch. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie so ein, oder mein Gedächtnis aufgebaut ist oder sein könnte. Aber ich bin nicht zu einem Schluß gekommen, also stelle ich Mutmaßungen an. Ich will mal ausklammern, daß mit beginnender Demenz sich das Langzeitgedächtnis in den Vordergrund schiebt, aber soweit ist es , nach einhelliger Meinung meiner Freunde, noch nicht.  Eriinert man sich an bestimmte Momente des frühen Lebens vielleicht nur deshalb, weil man Episoden davon immer wieder erzählt bekommen hat  oder irgendwie selbst erzählt hat. Macht man sich sein eigenes Gedaächtnis mit Ereignissen, die man sich so vorgestellt hat, daß sie so gewesen sein könnten?

 

Ich habe versucht einfach mich an etwas zu erinnern, was vor meiner Einschulung in die Grundschule passiert sein soll. Ich schaffe es nicht, etwas hervor zu holen. Aber es gibt eine Story, die erhalten geblieben ist, aber eben wie oben angeführt, weil dieses wiederholt erzählt worden ist.

 

Also - die Nachkriegszeit war geprägt vom Mangel an Gütern des täglichen Bedarfs, es gab die nicht zu kaufen und wenn  magelte es an der nötigen Kaufkraft. Wichtige Teile des Lebens damals - man kann sich das in unserer Wohlstandsgesellschaft garnicht mehr vorstellen, waren Schuhe. In meinen Fall Kinderschuhe.  Und dann gab es - gibt es unter behördlichen Auflagen und Einschränkungen und unter großen Sicherheitsvorkehrungen - ein Fasnachtsfeuer. Das gibt es nur im alemanischen Raum, ist wohl alter heidnischer Brauch, eine Woche nach der offiziellen Fasnacht. Die Kinder des Dorfes zogen einen von einem Bauern geborgten Wagen durchs Dorf ,sangen einen Reim "vielleicht Holz und Wellen, alte Tür, isch alles guad für Fasnechtsfür" oder so ähnlich. Die Leute entrümpelten ihre Speicher und Scheunen, Gärten, die noch die abgeschnittenen Zeige der Vorjahrs aufbewahrten und Wellen (waren aus den Weinbergen die ausgeschnittenen zusammengebundenen Triebe) und gaben die auf den Wagen. War der voll, fuhr einer der Bauern den Wagen oben auf den Berg ,wo alles zu einem großen Haufen aufgeschlichtet wurde, natürlich nicht nur ein Wagen voll, sondern deren viele, das Abfallholz des ganzen Dorfes, das während des Jahres angefallen war.

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Der ganze Haufen wurde dann an dem besagten Tag abends in Brand gesteckt , die jungen Leute schlugen Scheiben ins Tal. Das muß ich erklären. Schon Wochen oder Monate vor diesem Termin wurden Scheiben gemacht. Das waren Holzscheiben, aus 10 bis 15 cm dicken Ästen gesägt und in der Mitte mit einem Loch versehen. Tanne oder Buche, behauen oder einfach nur rund. Die trocknete man hinter den Ofen, damit die am entsprechenden Tag gut brannten. Am Tag zuvor ging man in den Wald und schnitt einige Haselruten ab, die dann am stumpfen Ende angespitzt, die Scheiben aufnahmen. Am Haselstecken hielt man die Scheiben ins Feuer, bis die gut brannten und dann schlug man die über einen Scheibenbock (schräg aufgestelltes dickes Holzbrett), sodaß diese glühende Bahnen ziehen, ins Tal segelten. Man schrie : Fürio oder sosnt ein heidnischen Spruch. Das Ganze Dorf war um dieses Feuer versammelt, so auch meine Eltern, mit mir auf Vaters Arm.

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Was aber hat das mit dem Mangel in der Nachkriegszeit zu tun? und dem Mangel an Schuhen? Einfach das, daß wir , meine Eltern und ich Stunden später vom Feuer nach hause zurückkehrten und das Kind, nämlich ich, hatte nur noch ein Schuh an. Mein Vater zog wieder los, um in der Nacht rund um das Feuer irgendwo meinen Schuh zu finden. Ich weiß nicht, ob das vom Erfolg gekrönt war odr nicht.

 

Aber das ist so eine Story, die wiederholt erzählt wurde und von der eben nicht klar ist, ob ich mich daran erinnere , nur weil die oftmals wiedergeben wurde. Af jeden Fall passt sie perfekt in die damalige Zeit, in der alte Wollpullover wieder aufgezogen (Wollfäden zurückgewonnen ) wurden , ins Wasser getaucht, damit die Fäden sich glätteten und zu neuen Pullovern verstrickt wurden. Es war die Zeit wo alles recycelt wurde, obwohl es den Begriff damals noch garnicht gab, alle Leute waren schlank und Herzinfarkte kannte man praktisch nicht.

 

Und Zeit war da im Überfluß und ich hatte einen Vater und eine Mutter für mich, die aus allem , was sich so bot, was machten, sei es zum essen, zum kleiden oder zum spielen. Wie traurig wächst doch dagegen die heutige Generation auf, die von den Eltern vor die Glotze gesetzt werden oder mit einem Smartphone ruhig gestellt wird.

 

Es war eben Nachkriegszeit. Wir lebten in einem sehr sehr alten Bauernhaus, in dem es in allen Ecken zog, weil der Wind durch die undichten Fenster pfiff und die Türen waren alles andere  als dicht. Von der Wohnung war nur die Küche warm, nicht weil es eine Heizung gab, sondern weil der Kochherd darin stand, der den ganzen Tag brannte und dessen langes Abgasrohr meterweit durch die Küche ging, bevor es im Kamin verschwand.

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Von der Küche führe eine Türe in das Schlafzimmer meine Eltern und eine Türe in mein Zimmer. Spät abends, wenn die Wärme in der Küche nicht mehr gebraucht wurde, öffnete meine Mutter diese beiden Türen und Eisblumen an den Fenstern tauten kurzfristig etwas ab. Wer kennt heute, im Zeitalter der Doppel. und jetzt schon dreifach Glasfenster noch Eisblumen. Die Betten waren eisekalt, aber an einer Stelle warm, nämlich da wor die  Wärmflaschen war, die uns unsere Mutter abends ins Bett legte.

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Wir hatten auch ein Wohnzimmer, aber das war, wie das ganze übrige Haus , nicht geheizt. Es stand ein gusseiserner Ofen darin, der  ,wen nin Benützung eine super Wärme verbreitete. Diesen anzufeuern ging wie folgt: Im Küchenherd erstmal Holz auflegen und warten, bis sich genügend Glut gebildet hat. Mit einer schmalen Handschaufel eine Schippe Glut aus dem Herd nehmen. Die Schippe mit dr Glut vorsichtig über den Flur bis ins Wohnzimmer tragen und die Glut in den gusseisernen Ofen kippen. Holzscheite darauflegen und warten, bis diese brennen. Tun sie das nicht, vor den Ofen knieen, die unter Türe mit der Luftzugklappe ganz öffen und solange hineinblasen, bis das Holz Feuer gefangen hat. Sonst einfach den Vorgang wiederholen. Dann dauerte es etwa eine Stunde bis das Wohnzimmer angenehm war war.

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Holz hatte man jedes Jahr zu machen. Mang ging in den nahe gelegenen Wald, wobei man den Förster darun bat , ein Gebiet säubern zu dürfen.  In den zugewiesenen Gebiet durfte man alles Fallholz mitnehmen und Bäume schneiden, die schon dürr waren. Das kostete quasi nichts , nur die Zeit, die man hineinstecken musste, aber die hatte man im Überfluß.

 

Im Wald durfte man auch Bucheckern sammeln, die Samen der Buchen. Das war mühsam , das taten Mutter, Vater und ich ein wenig. Die gesammten Bucheckern brachte man in die Ölmühle - es gab eine solche in unserem Dorf und erhielt dafür etwas Öl. Dasselbe taten wir mit Mohnsamen, nur dass wir den Klatschmohn auf unseren eigenen Feldern anbauten . Heute würde man vielleicht an Opium denken beim Mohnanbau, damals nur an die Ölgewinnung. Den Presskuchen der ausgepressten Ösamen bekamen die Schweine. Nichts wurde weggeworfen.  Alles war Überlebensstrategie, ohne daß man Gedanken daran verschwendete, wie man den Planet rettet,  man war froh sich selber zu retten.

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Die Gemeinschaft war eben noch eine solche. Ich erkläre das am schlachten eines Schweins. Aber das war für mich als Kind ein traumatischer Tag. Das Schwein war ein Teil der Familie, und wer dummes Schwein gedankenlos sagt, ist eben ein solches. Denn Schweine sind nicht dumm um man kann mit ihnen spielen und die spielten auch gerne mit unserem Hund. Wenn ich abends mit dem Fahrrad nach Hause kam, machten sie ihr Schweinegeräusch in ihrem Stall. Wenn man ihnen genügend Platz gibt, bei uns hatten sie diesen, halten sie ihren Schweinestall sauber ,scheißen immer in dieselbe Ecke. Aber Schweinemist ist , was Geruch anbetrifft weit stinkiger als Kuhmist.

 

So wurde denn an einem Tag der Hausmetzger bestellt - ich ging dann immer eine Stunde radfahren, bis das Schwein tot war und im Schuppen an einem dicken Balken hing. Ich hatte das töten manchmal  miterleben müssen und es schüttelt mich noch heute ,wenn ich nur darüber schreibe. Kurz nach dem Krieg, es durfte Niemand irgend welche Explosivstoffe haben, die Besatzungsmacht, bei uns die Franzosen verboten das , und die Tiere, auch unsere Schwein wurde mit einem großen Hammer tot geschlagen. Ich will die Einzelheiten garnicht aus meinem Gedächtnis hervorholen. Später wurde ein Bolzenschussgerät verwendet, vielleicht besser, zumindest für den Zuschauer.

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Immerhin weis ich wie ein Tier getötet werden muß, bevor es im Supermarkt in der Fleischtheke liegt und ich bin überzeugt , dass es noch viel mehr Vegetarier gäbe, wenn die mit ansehen müssten, wie Tiere geschlachtet werden, insbesonders wie die damals geschlachtet wurden.

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Wir hatten ja nicht nur Schweine, sondern auch Hühner und Enten. Darauf gehe ich besser nicht ein.

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Aber zurück zur Solidarität im Dorf. Das Schwein wurde verarbeitet, Schinken, Speck, Würste, zum Beispiel Blut- und Leberwurst und Kesselfleisch. Also Fleisch , das einfach nur gekocht wurde. Und eine Blut und eine Leberwurst und Wurstsuppe mit Kesselfleisch bekamen alle Nachbarn und Verwandte. Das war im Zeitalter  des kein Kühlschrank habens eine Bevorratung ,denn die Nachbarn und Verwandten schlachteten ja ihr Schwein nicht zur gleichen Zeit.

Ein Schwein gab der Familie wieder lange Zeit essbares, wobei man verschiedene Konservierungsarten einsetzte. Die wichtigste davon war das Räuchern. Die  Würste wurden gleich in den Kamin gehängt, die Schinken und der Speck folgte Wochen später, nachden die in einem Holzbottich gelegen hatten und jeden Tag mit Salzlake begossen wurden, die mit Gewürzen und Knoblauch angereichert waren. Der Räuchervorgang dauerte viel Wochen und der Speck und die Schinken blieben auch im Kamin , bis man deren bedurfte. Der Kamin war dann allerdings nicht mehr beheizt, also kein Rauch mehr, die Lufttrocknung also.

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So  einen Kamin muß ich beschreiben, sonst kann man sich nicht vorstellen, daß dort ein ganzen Schwein Platz fand. Das Bauernhaus hatte zwei Etagen, plus Keller plus Speicher , deren zwei, weil das Dach so hoch war.

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Die erste Etage, dort wohnten meine Großeltern mütterlicherseits hatte ein Küche in der alles offen war. Der Herd hatte nur ein kurze Abluftrohr ,das in einem offenen Kamin endete. Man konnte darunter stehen und nach oben blickend den Himmel sehen. Dieser Kamin hatte in halber Höhe Leisten, auf die man Querhölzer legte, an denen die Schinken , Würste us, hiengen. Der Herd durfte nur mäßig geheitzt werden, damit die Würste nicht zu heiß hatten und es durfte nur sauberes Buchenholz verfeuert werden. Darauf achtete meine Großmutter genau.

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So ein Bauernhof bildet ein Paradies für ein Kind. Es gab Scheune mit vielen Nebenräumen. Speicher für Heu, Speicher für Getreide, wobei das alles mit Muskelkraft aufgefüllt wurde, die Bauern halfen sich gegenseitig beim abladen der Wagen. Es gab Schuppen mit allerlei Geräten, Unrat von Generationen war da gelagert, alte Geschirre für Pferde und Ochsen, verschieden hölzerne Wagen mit eisenbeschlagenen Rädern, Bretter, Stangen - man brauchte solche jedes Jahr, da an denen die Bohnen in die Höhe wuchsen, Werkzeuge wie Sägen, Hämmer, Feilen und Utensilien für die Waldarbeit, Spaltkeile, Baumsägen, Seile. Und viele Dinge, deren Verwendung sic hmir nicht erschloß. Alles wenig geordnet und unsachgemäß gelagert. Nägel, schrauben, Bohrgeräte, alles nicht verboten zu benutzen. Selbst als ich als kleiner Bub Nägel in den Fußboden des Wohnzimmers  meines Großvaters schlug, achtete diese nur darauf, daß ich die gerade einschlug. Denn er konnte sich , wegen einer Kriegsverletzung aus den ersten Weltkrieg schlecht bücken, mußte also immer auf die Knie um mit einer Zange meine Fehlversuche, spricht krumm geschlagene Nägel , wieder zu entfernen.

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Es war ein lieber Opa, er war , wie schon gesagt etwas gehbehindert , aber wir hatten bei den Hühnern einen agressiven Hahn und als der mich , das Kind attakierte, spiesste er diesen mit einem Stich einer Mistagabel von meine Kopf. Ich war sein ein und alles.  Manchmal schickte er mich in das nahegelegene Gasthaus umd ihm eine Flasche Bier zu kaufen. Er gab mir eine Mark, die Flasche kostete 80 Pfennig und von den 20 Pfennig durfte ich mir Bonbons kaufen.  Manchmal spendierte er auch meinem Vater eine Flasche Bier ,der Opa hatte ein wenig Geld, da er eine Rente von der Bahn bezog ,da er vor dem Krieg dort gearbeitet hatte , neben der Landwirtschaft.

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Dieser Opa, er hieß Ludwig, ist mir sehr gegenwärtig wenn ich über ihn schreibe und an ihn kann ich mich sehr gut erinnern, aber da war ich auch schon älter. Er lebte deutlich länger als meine Großmutter, die auch schon seine zweite Frau war. Die erste kam bei einem Eisenbahnunglück um Leben, wobei viele Leute aus meinem Dorf starben. Die Dorfbewohner waren vor dem Krieg von der deutsch fanzösischen Grenze weg evakuiert worden und auf dem Rückweg entgleiste der Zug.

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An die Oma, zweite Frau meines Großvaters kann ich mich nur an deren Tod und die Aufbahrung bei uns im Haus erinnern. Das war Sommer und die Leiche im Sarg stank entsetzlich und ich riche noch das kölnisch Wasser, mit den meine Mutter den Sarg besprengte ,damit die Träger ,damals wurden die Toten von Haus , in dem sie aufgebahrt waren von 6 Männern auf den Friedhof getragen, den Gestank ertrugen.  Der Pfarrer vorneweg, die Trauergäste, und es war üblich daß das das ganze Dorf war, hinterher und während der ganzen Zeit läuteten die Kirchenglocken.

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Es sind so Momentaufnahmen, die ich aus meinem Gedächtnis holen kann . Warum es gerade den Sterbevorgang betrifft , könnte mir vielleicht ein Psychologe erklären. Aber auch an die Nacht, in der meine Opa Ludwig starb, kann ich mich erinnern. Ich sehe noch den Hausarzt vor mir, ein Dr . Ensinger, Homöopath, der in der Stube war, mein Vater, der in dieser Nacht das Rauchen wieder anfing, nachdem er zuvor einige Jahre nicht mehr geraucht hatte. Ins Schlafzimmer durfte ich nur kurz, mein Opa erbrach sich immer wieder, bevor er sterben konnte. Jetzt weiss ich auch, woran er starb, er hatte Darmkrebs und ist  an einem Ileus gestorben. Das ist mir klar geworden, als meine Mutter viele Jahre später genau so starb, nur daß ich dieses Mal direkt dabei war.

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© 2020 by Bernd Kreutner

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